Mittwoch, 13. August 2014

Famu... was?

Sitzt eine kleine Krankenpflegeschülerin alleine im Schwesternzimmer und träumt vor sich hin.
Da klingelt das Telefon. Sie geht dran. Eine fremde Stimme fragt: "Haben Sie die Famulantin irgendwo gesehen?"
... PAUSE ...
"...ähm...Nein?"

Die kleine Krankenpflegeschülerin war ich, vor ungefähr 10 Jahren. Damals habe ich das Wort "Famulantin"das erste Mal gehört, und weil ich keine Ahnung hatte, wie eine Famulantin aussieht, konnte ich auch keine gesehen haben... logisch, oder?
Damals wusste ich noch nicht, dass ich in den nächsten Jahren selbst mehrmals den vielsagenden Titel "Famulantin" tragen werden darf. Und zwar NUR Famulantin - ohne Namen.
Abzugrenzen von PJlern, das sind die anderen Studenten, die auf der Station und im OP rumlaufen - auch ohne Namen, aber dafür schon mit ein bisschen Ahnung und weniger peinlichen Auftritten.

Famulatur - das ist ein klinisches Praktikum als angehender Arzt, deshalb idealerweise nicht zu vergleichen mit dem Krankenpflegepraktikum in der Vorklinik.
Das erste Mal, dass ihr nach dem Physikum direkten Patientenkontakt habt, euch in Euren Kittel schmeißt, Euer Stethoskop benutzt (mit den Oliven nach vorne gerichtet, sonst gibt´s strafende Blicke ;))... Da warten eine ganze Menge Fettnäpfchen, Momente voller Ahnungslosigkeit und Wünsche nach dem Verkriechen-in-ein-Mauseloch auf Euch!
Aber tröstet Euch - es geht allen so! Wie sind anfangs einfach ein hilfloses Etwas im Kitteln, mit nichts als einem bisher unbenutzten Stethoskop und einem Physikum in der Tasche - was uns aber auch nicht weiterhilft. Wie auch?! Nach dem Zitronensäurezyklus wird in der Chef-Visite garantiert nicht gefragt! Mit dem Anatomie-Wissen allerdings könnt ihr Plus-Punkte sammeln, zumindest im OP. Da werden dann die Strukturen, die wir fein säuberlich im Präp-Kurs freigelegt haben, in kleinstem Ausschnitt und blutig-fransiger Umgebung präsentiert. Ein wenig Phantasie kann also nicht schaden.

Ich möchte die Famulaturen aber nicht schlimmer darstellen, als sie sind. Je nachdem, wo ihr landet, braucht ihr ein dickes Fell, könnt aber auch jede Menge Spaß haben.
Großes Ziele und Erfolgserlebnisse, die auf euch warten, sind:
1. Blutabnehmen
Damit könnt Ihr euch richtig beliebt auf Station machen. Wenn Ihr das gut könnt, nehmt ihr den Assistenten Arbeit ab und erhaltet Lob von den Patienten. Und wenn Ihr den Kram hinterher wegräumt und die Blutröhrchen ungefragt ins Labor bringt, seid Ihr die Lieblinge der Schwestern!
2. Zugänge legen
Das ist schon was für Fortgeschrittene. Wenn das mit dem Blutabnehmen gut klappt, versucht Euch mal an einer Viggo. Sinnvoll ist es, das Legen vorher an einem festgeklebten Infusionsschlauch zu üben, falls sich kein mutiger schmerzfreier Assistent zur Verfügung stellt!
Ein Tipp vorab:
Blutabnehmen immer eher zentral (Ellenbeuge),
Zugänge legen immer eher peripher (Handrücken)
Falls ihr das gut hinbekommt, und den Patienten vor einer geplanten OP eine schöne dicke Viggo auf den Handrücken legt, lieben euch auch die Anästhesisten!

Wie kann ich mich noch auf meine erste Famulatur vorbereiten? Ausrüsten!
Gut ausgestattet seid Ihr mit:
- festen Schuhen
- Untersuchungsmaterial: mindestens Stethoskop, Augenlampe und Reflexhammer
- sinnvoll ist ein Medikamenten pocket Buch für die Kitteltasche, dann könnt Ihr nachschauen, falls ihr ein Medikament nicht kennt und lernt dabei ganz entspannt klinische Dosierungen
- Stauschlauch: zum Blutabnehmen, die Schwestern rücken ihre nicht gerne raus. Aber gut drauf aufpassen oder Namen drauf schreiben, die verschwinden nämlich oft auf unerklärliche Weise
- Klebepflaster in der Tasche (braucht man irgendwie ständig)

Was immer gut kommt:
- auf Station viel fragen (!), auch "blöde" Fragen (wenn ihr im OP seid, am besten bei den Assistenten vorher erkundigen, ob der Operateur Fragen während der OP mag oder nicht)
- während der Visite Verbandsmaterial oder Handschuhe mitnehmen und anreichen
- wenn ihr nichts zu tun habt, einfach fragen, wie ihr helfen könnt
- immer schön die Hände desinfizieren
- sich selbstständig und freundlich bei allen vorstellen (auch bei den Schwestern, vor allem bei OP-Schwestern!)

Wie ihr euch ganz easy unbeliebt machen könnt:
- Minirock unterm Kittel, kombiniert mit Pumps und offenen Haaren
- bei der Chefvisite als erster ins Zimmer stürmen
- sich nicht als "Student" bei den Patienten vorstellen
- bei der Assistenz im OP ohne Pause von der Party am Wochenende quatschen

Fällt euch auch noch was ein?? Vielleicht ergänze ich demnächst noch! :)

Noch ein paar Formalitäten zur Famulatur:
Gefordert werden 4x1 Monat Famulatur, davon 1 Praxisfamulatur und 1 Wahlfamulatur (die man auch gerne im Labor verbringen darf => z.B. wenn man an seiner Doktorarbeit sitzt!)
In welchen Fachrichtungen ihr famuliert, ist euch überlassen.
Falls Ihr schon 100% wisst, wo ihr später arbeiten wollt, könnt ihr natürlich mindestens 1 Famulatur dort verbringen, das kommt bei der Jobsuche später auf jeden Fall gut!
Als ich mich in der Gynäkologie beworben habe und erklärt habe, dass ich mich erst im letzten Semester für dieses Fach entschieden habe, und deshalb "nur" das PJ-Wahlfach dort verbracht habe, wurde ich schon etwas fragend angeschaut. (Hab den Job aber trotzdem bekommen.)
Falls ihr euch noch alle Möglichkeiten offen halten wollt, gibt es vor allem 2 sinnvolle Möglichkeiten, Eure Famulaturen zu sortieren:
1. für Vorsichtige:
Wähle ein Fach, dass du im vorhergehenden Semester hattest. Davon hast du noch am meisten Ahnung, hast womöglich auch ein Fachbuch und die Ausrüstung und schmeißt dich nicht ganz ins kalte Wasser. (Das war immer MEIN Vorgehen.)
2. für Mutige:
Schaue dir an, welche Fächer du im nächsten Semester hast. Wenn du dich durch die Famulatur wurschtelst, kannst du dafür in den Semesterprüfungen glänzen.

Egal, wo ihr landet - es ist Eure Chance, endlich klinisches Wissen anzuhäufen!
Geht in die Famulatur nicht mit der Einstellung, dort Großartiges leisten zu müssen - sonst enttäuscht Ihr euch nur selbst!
Sinn der Sache ist es, Erfahrungen zu sammeln. Dafür dürft Ihr auch ruhig die Hilfe der Ärzte beanspruchen, lasst euch nicht als billige Arbeitskraft benutzen.
Wenn Ihr bei einer Pleurapunktion zuschauen oder sogar assistieren dürft, müssen die Blutabnahmen eben warten.
Scheut euch nicht, Fragen zu stellen und Untersuchungen selbst durchzuführen.
Wenn Ihr Interesse zeigt, macht Ihr euch überall beliebt, werdet mit einbezogen und habt auch noch Spaß an der Sache!

Ein kleiner Tipp zur Frage "Uniklinik oder kleines Dorfkrankenhaus"?
An der Uniklinik seht ihr viele spezielle Fälle, seltene Krankheiten und unterschiedliche Ausprägungen, das ist vielleicht etwas für die 4. Famulatur, wenn Ihr schon ein paar Basics wisst und könnt. Dort tummeln sich mit Euch auch jede Menge andere Studenten, und da werden die Ellenbogen ausgefahren, wenn es um die Assistenz bei einer interessanten OP geht.
In einem kleinen Krankenhaus, wo ihr vielleicht der einzige Famulant seid (und die Krankenpflegeschüler noch nicht einmal wissen, WAS ihr seid), fühlen sich die Ärzte geehrt und berufen, Euch eine interessante Zeit zu bescheren. Dann dürft ihr in familiärer Atmosphäre bei 10 Splenektomien die erste Assistenz sein! :)


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