Dienstag, 12. August 2014

Gibt´s hier denn keinen richtigen Doktor...?!

Das bekommt jeder Arzt mal zu hören, der es wagt, ohne "Dr." auf dem Namensschild vor einen Patienten zu treten...
Ist diese Frage gerechtfertigt?
Ist man mit einem Doktortitel ein besserer oder "richtigerer" Arzt?

Aus Sicht der Patienten:
Doktor = Arzt, selbst wenn kein Doktortitel vorhanden.
Da habe ich direkt ein paar lustige Erlebnisse zu diesem Thema (keine Witze, die sind wirklich passiert):
1.
Die junge Ärztin kommt ins Zimmer einer Patientin.
"Schwester, können Sie mal bitte das Fenster schließen? - Und wissen Sie was?? Heute morgen wurde ich vom DOKTOR gewaschen!!! Macht Ihr das hier so?"
"Nein, Frau M., das war der Pfleger."
2.
Mein Freund (Geograph) erzählt seiner Oma, dass er jetzt an seiner Promotion arbeitet.
"Promo....was?!" - "Promotion, Oma. Ich mache meine Doktorarbeit!"
"Waaas? Junge, jetzt willst du auch noch ARZT werden?!"
...
Mal ehrlich, zweifelt Ihr an der Kompetenz eines Arztes, wenn am Türschild nicht "Dr..." steht?
Viele tun das, ich nicht mehr - seit ich weiß, was hinter dieser ominösen Doktorarbeit steht.

Aus Sicht der "richtigen" Wissenschaftler:
Seien wir mal ehrlich - die medizinische Doktorarbeit genießt nicht gerade höchstes Ansehen in der Welt der Wissenschaft. Und das hat auch seine Gründe.
Während ein "richtiger" Wissenschaftler (Biologe, Chemiker,...) nach seinem Uni-Abschluss 3-4 Jahre im Labor hocken muss mit vollen Arbeitstagen und halbem Lohn, seine Ergebnisse alle paar Wochen vor mehreren Gremien vorstellen muss und bibbern muss, dass nicht jemand anders vor ihm den neu erforschten Sachbestand veröffentlicht, hat der Medizinstudent schon während des Studiums die Möglichkeit, zwischen 2 Kursen in sein kleines Büro in der Klinik zu schlurfen, Messwerte / Untersuchungsbefunde /... in eine Tabelle einzugeben, dann schreibt er nach 3 Monaten etwas Schönes dazu und darf das Ganze dann seine Doktorarbeit nennen.
Bitte nicht falsch verstehen - ich möchte dieses Vorgehen nicht schlecht machen, ich bin ja selbst Mediziner, und teilweise treten durch diese Doktorarbeiten ja auch wichtige neue Kenntnisse zutage. Es gibt meiner Meinung nach auch wichtige Gründe, warum uns Medizinern das "Rumdoktern" so einfach gemacht wird.
Außerdem sagte ich eben, der Medizinstudent "hat die Möglichkeit", das Ding innerhalb von 3 Monaten neben dem Studium einzutüten - es gibt auch andere Varianten, die ich Euch jetzt vorstelle:

Ich darf aus meinem geliebten "DocCheck Flexikon" zitieren (ein wichtiges Hilfsmittel zum Lernen und Nachschlagen übrigens):

Unter einer Promotion (lat. für "Beförderung") versteht man das Erlangen des höchsten akademischen Titels, dem "Doktor". Dafür notwendig ist das Schreiben einer sogenannten Dissertation (kurz "Diss"), einer wissenschaftlichen Arbeit, sowie dessen mündliche Verteidigung, die Disputation. Eine Besonderheit des Faches Humanmedizin ist, dass im Gegensatz zu anderen Studienfächern, mit der Doktorarbeit schon während des Studiums begonnen werden kann. Eingereicht werden kann die Arbeit jedoch erst nach abgeschlossenem Studium.
Bei Doktorarbeiten unterscheidet man grob in drei verschiedene Kategorien, die unterschiedliche Schwerpunkte haben und daher auch unterschiedliche Zeitansätze haben.

2.1 Experimentelle Doktorarbeit

Darunter versteht man eine Doktorarbeit, bei der neue Erkenntnisse durch Experimente, meist in einem Labor, zustande kommen. Eine experimentelle Doktorarbeit gilt als eher zeitaufwändig, da man sich erst in die entsprechenden Labormethoden einarbeiten muss, sowohl theoretisch als auch praktisch, um überhaupt verwertbare Ergebnisse zu erzielen. Auch kann sich nicht nur die Einarbeitungszeit hinziehen, auch dauert die Phase der Datenerhebung meist relativ lange, da größere Versuchsreihen notwendig sind. Dazu kann es seien, dass man zu gewissen Zeiten zuverlässig im Labor seien muss, um z.B. eine PCR entsprechend zu beenden und auszuwerten.
Der genaue Umfang einer experimentellen Doktorarbeit ist aber auch sehr von der entsprechenden Fragestellung und dem Thema abhängig. Es bietet sich an, beim Doktorvater vorab zu erfragen, in welchem zeitlichen Rahmen (seiner Meinung nach) sich die Arbeit bewegen wird. Auch gibt es teilweise experimentelle Arbeiten, die Tierversuche beinhalten, was zarte Gemüter abschrecken kann. Im Zweifelsfall vorab fragen.
Anmerkung der Redaktion: Hierfür legen die meisten Studenten ein oder mehrere Urlaubssemester ein, während der sie unbezahlt im Labor an ihrer Arbeit basteln. Ihr könnt Euch vorstellen, diese Variante entspricht schon eher den kritischen Vorstellungen der Wissenschaft! Wer mal an einer Uniklinik arbeiten möchte, tut gut daran, sich eine Experimentelle Doktor-Arbeit zu suchen, oder anders herum: Wer eine Experimentelle gemacht hat und sich dann an der Uniklinik bewirbt, sammelt Plus-Punkte! Es ist auch meist nicht schwierig, an solch eine Doktorarbeit heranzukommen. Weil die meisten Studenten/Ärzte einfach nur auf den Titel aus sind und die Arbeit dafür in Grenzen halten möchten, bekommt man solche aufwendigen Aufgaben hinterhergeschmissen. (leicht übertrieben!)
2.2 Klinische Doktorarbeiten
Hier kommt man eher in Patientenkontakt, aber auch Laborbesuche sind nicht auszuschließen. Es geht darum, wissenschaftliche Erkenntnisse anhand klinischer Untersuchungen zu bekommen. Eine typische Fragestellung wäre also z.B., ob eine bestimmte Ernährungslösung bei Sepsispatienten ein besseres Überleben nach sich zieht als die bisherige Standard-Ernährungslösung.
Vom zeitlichen Umfang kann man nichts definitives sagen, jedoch kann sich auch hier die Phase der Datenerhebung langwierig gestalten, wenn die Fragestellung sehr speziell ist und wenige Patienten für eine Teilnahme in Frage kommen.

2.3 Statistische Doktorarbeiten

Klassische Akten-Wälzerei ist hier möglicherweise angesagt. Teilweise ist die Datenerhebung schon abgeschlossen, weil auf bereits vorhandene Daten (z.B. Krebsregister) zurückgegriffen wird. Der zeitliche Umfang einer statistischen Doktorarbeit hält sich meist in Grenzen, dafür ist es ein anderes Arbeiten als z.B. im Labor. Die statistische Betrachtung und Überlegung zur ganzen Arbeit nimmt einen gewissen Zeitanteil in Anspruch, Fehler die man hierbei macht, können sich später sehr stark rächen.
Ihr seht, es gibt da verschiedene Ansätze. Um nochmal darauf zurück zu kommen, warum es gerechtfertigt ist, es den Medizinern mit der Dr-Arbeit so leicht zu machen:
Na, weil die Patienten es ERWARTEN! Die WOLLEN einen RICHTIGEN Doktor vor sich stehen haben. Das ist die eigentliche Motivation der meisten Mediziner, nicht unbedingt die wissenschaftliche...
Gut, es gibt auch Mediziner, die gerne mal in die Wissenschaft hereinschnuppern und sogar Spaß daran haben. Schließt sich ja auch nicht aus, wissenschaftlich UND klinisch tätig zu sein.
Aber sind das die besseren Ärzte? 
Ich denke, nachdem Ihr wisst (falls ihr es vorher noch nicht wusstet), was hinter der Doktorarbeit steckt, geht auch Ihr ohne schlechtes Gefühl im Bauch zu einem Arzt (nennen wir ihn Robert Müller), der keinen Doktortitel an der Tür stehen hat.
Robert ist dann einer von denen, die ihr Studium durchgezogen haben, ohne einen kleinen Abstecher in die Wissenschaft zu machen. Ok, vielleicht hätte Robert mal ein bisschen über seinen Tellerrand hinausschauen können - nicht so engstirnig vor sich hin büffeln, sich mal näher mit einem Thema beschäftigen - das tut mal ganz gut. Aber ein schlechterer Arzt als Dr. Waldemar Schmitz nebenan ist er nicht! Vielleicht hat er sogar ein besseres Examen gemacht - wer weiß das schon?? Das steht nämlich nicht auf dem Schild! Und ob Waldemar herausgefunden hat, dass der Chemokin-Rezeptor CXCR3 beim Astrzytom Grad XXX besonders stark exprimiert wird, das hilft ihm auch nicht bei der Wahl des Antibiotikums gegen meine Bronchitis.

So, sind wir uns über eines einig - auch wenn es "unsinnig" ist, ein Doktortitel als Arzt kann nicht schaden.
Der nächste Punkt ist, Ihr müsst euch darüber klarwerden, ob Ihr eine Labormaus seid und gerne 1-2 Semester über Euren Experimenten brütet, oder ob ihr eine klinische oder statistische Arbeit verfassen wollt. 

Wie kommt Ihr jetzt an diese Arbeiten? oder Wie werde ich Doktorand?
=> Suche Dir einen "Doktorvater" oder eine "Doktormutter"!
Meist ist es leider kein effektiver Ansatz, sich selbst ein Thema zu überlegen und damit auf Suche nach dem Doktorvater zu gehen. Auch wenn man sich besonders für das Thema interessiert und schon viel Ahnung hat - das Ziel des Doktorvaters ist es, etwas zu veröffentlichen.
Und was sich gerade gut veröffentlichen lässt, wissen die Professoren selbst am besten. Vielleicht arbeiten sie schon seit längerem mit einer Arbeitsgruppe an einem bestimmten Thema und suchen gerade Verstärkung.
Es gibt da vor allem 2 vielversprechende Möglichkeiten:
1. Schaue auf der Seite der Fachschaft vorbei. Viele Profs/Oberärzte/Doktorväter/Arbeitsgruppen geben dort Doktoranden-Gesuche ab. Meist steht dort eine kurze Beschreibung des Themas, vielleicht auch des Umfangs, oder ihr könnt "herauslesen", ob es sich um eine experimentelle/statistische/klinische Arbeit handelt. Wenn euch etwas interessiert - meldet Euch schnell dort, bevor das Thema weg ist!
2. Werde selbst aktiv! Meist sind die Oberärzte einer Uniklinik diejenigen, die aktiv Forschung betreiben und klinische oder statistische Doktorarbeiten vergeben und beaufsichtigen. Melde dich bei dem Oberarzt deines Vertrauens oder dem Fach deines Interesses und frage einfach nach, ob noch jemand gebraucht wird oder etwas ansteht. Solltest du Interesse an einer Experimentellen haben, schaue auf Seiten der Institute nach, dort sich manchmal Doktoranden-Stellen ausgeschrieben, oder du meldest Dich einfach dort und fragst nach.
Sagen wir es mal so - ich kenne keinen Studenten, der eine Doktor-Arbeit machen wollte und keine bekommen hat! :) Nur wer spezielle Vorstellungen hat, muss womöglich etwas länger suchen.

Ich hoffe, das Thema hat den ein oder anderen von Euch interessiert. Freue mich über Feedback, Anregungen und Meinungen.

Und allen, die demnächst mit der Dissertation starten, wünsche ich:
Viel Spaß beim Herum-Doktern! 


1 Kommentar:

  1. Ghostwriting hin oder her. Das Thema muss man spätestens bei der Verteidigung oder der mündlichen Prüfung eh können. Dort bekommen die Prüfer sehr schnell raus ob man sich damit auseinander gesetzt hat oder nicht.
    Hallo,
    Wir erstellen übrigens gerade eine Art Leitfaden für Hausarbeiten im Medizinstudium. Habt ihr noch irgendwelche Anregungen oder Tipps die wir unbedingt mit einfließen lassen sollten???
    Erster Teil unserer Serie: Wie schreibe ich eine Hausarbeit im Medizinstudium?
    http://www.medi-buch.de/1-semester/teil-i-wie-schreibe-ich-eine-hausarbeit-im-medizinstudium-aufbau-der-hausarbeit/

    Jede Woche soll ein neuer Teil der Serie erscheinen.

    AntwortenLöschen