Mittwoch, 18. Juni 2014

Das böse P-Wort

"Noch ist es in weiter Ferne...", denkt sich der Medizinstudent an seinem ersten Tag in der Uni.
"Ich weiß, es wird kommen. Und ich habe nicht viel Gutes darüber gehört. Aber jetzt ist es noch ganz weit weg."
Es steht wie ein Berg am Horizont. Anfangs ist er noch ganz klein.
Und wer weiß...vielleicht verschwindet er ja, bevor ich dort bin!
Und doch weiß ich, dass es unausweichlich ist!

Der Weg dorthin scheint lang und teilweise steinig zu sein, man wird teilweise abgelenkt und ist sich der Anwesenheit des immer näher kommenden Berges nicht immer bewusst. Bis man davor steht.
Groß und mächtig wirkt er, und wir haben noch nicht einmal dafür gesorgt, uns eine Bergsteiger-Ausrüstung zu besorgen. Da wird es jetzt höchste Zeit!

Die Panik vor dem Unausweichlichen

Jeder, der sich für´s Medizinstudium einschreibt, weiß, dass er irgendwann kommen wird:
- Der Berg, der "Physikum" genannt wird
- Der Moment, in dem das erste Mal die Panik aufkommt, weil es gar nicht mehr lange hin ist
- Der Gedanke: "Das schaffe ich niemals bis zur Prüfung"
- Das Gefühl, alles und nichts zu wissen und jämmerlich zu versagen

Und doch kommt Ihr nicht drumherum! Denn ihr wollt es ja:
- Den Berg bezwingen
- Das Gefühl haben, den Studienplatz verdient und verteidigt zu haben
- Das Ende der Vorklinik
- Eine Riesen-Hürde gemeistert zu haben
- endlich "richtig" Medizin studieren können (echte Patienten, nette Prüfungen, Klinikalltag, Krankheiten lernen statt der Gluconeogenese)

Denn hinter dem Berg kommt das Schlaraffenland. Vorerst... dann kommt noch ein Berg. Der ist aber nicht mehr ganz so schlimm. Dann kommt noch ein Schlaraffenland. Und was danach kommt, weiß ich noch nicht :)

Aber Schlaraffenländer sind toll!
Deshalb findet Ihr euch damit ab, monatelang Bücher zu wälzen, Fragen zu kreuzen, nachts nicht schlafen zu können, regelmäßig in Panik zu verfallen, euch die Prüfungssituation immer und immer zu visualisieren und nachts davon zu träumen.

Ziel: dem Physikum diesen geheimnisvollen und furchteinflößenden Schrecken ein bisschen zu nehmen!
Denn im Endeffekt ist es kein Hexenwerk, sondern nur eine Prüfung, wie das Abitur.
Ein Chance zu zeigen, was ihr könnt!
"Dafür muss man erstmal was können!" würdet Ihr jetzt sagen.
Ganz rational gesehen:
In der schriftlichen Prüfung werden Fragen auftauchen, die ihr noch nie gesehen habt. Aber ihr habt die Altfragen gekreuzt. Und die Themen werden dieselben sein.
Mir hat es immer geholfen, "bedarfsgerecht" zu lernen. Die Themen, die immer und immer wieder gefragt werden, die lerne ich etwas ausführlicher, dann habt Ihr bei der nächsten Frage dazu auch ein Erfolgserlebnis!

Auch hier gibt es wieder verschiedene Lerntypen:

Bist du dieser Lerner? I....I....I...I...I.....I....I.....I.....
oder dieser Lerner? -----------------------------------

Man sollte sich vielleicht beim Lernen ein Schema überlegen, nach dem man vorgeht. Habe ich vor dem Physikum noch nicht gemacht, weil es mir noch nicht bewusst war, im Examen dann aber schon und es hat mir sehr geholfen.

Was sind das für seltsame Lerntypen?

I...I...I...I...I => das z.B. ist Katharina:
Wenn sie etwas lernt, dann richtig! Sie sucht sich spezielle Themen aus und geht in die Tiefe. Das dauert länger, aber danach hat sie es drauf!
Vorteil: Die gelernten Themen kann sie abhaken, das kann sie nämlich und wird es beim Kreuzen auch merken! Die gelernten Themen sind diese "I".
Nachteil: Sie muss sich auf Themen konzentrieren und andere ausblenden. Sie kann nicht alles auf einmal richtig gut lernen. Die ausgelassenen Themen (das sind anfangs nicht wenige) sind diese "."
Wenn richtig viel Zeit ist und Katharina eine gute Ausdauer hat, geht ihr Plan auf. Wenn´s eng wird, muss sie Mut zur Lücke haben oder auf das andere Schema umsteigen.

------------------- => das hier z.B. ist Thomas:
Thomas möchte den Überblick fürs große Ganze nicht verlieren. Er nimmt sich ein großes Thema vor und versucht, eine Struktur zu erkennen. Er setzt sich im ersten Schritt mit jedem Unterthema oberflächlich auseinander, verdeutlicht sich die Unterschiede, macht eine Tabelle. Er lässt kein Unterthema aus, aber das Kleingedruckte überfliegt er nicht einmal. Das kann er machen, wenn später noch Zeit ist. Dann kann er sich eingehender mit den einzelnen Unterthemen beschäftigen.
Dieses hier "-" bedeutet das flächendeckende, oberflächliche Lernen.
Vorteil: Eigentlich kann Thomas zu jeder Frage etwas sagen. Das ist besonders in der Mündlichen hilfreich! Und in der Schriftlichen kann er zur Not ein paar Sachen ausschließen, wenn´s etwas spezieller wird. Er hat den Überblick und vielleicht auch eher das Gefühl, ein Thema "verstanden" zu haben (beruhigt auch!)
Nachteil: Wenn keine Zeit bleibt, genauer auf die Einzelheiten einzugehen, besitzt Thomas im Extremfall nur "gefährliches Halbwissen". Damit wird er die Prüfung wahrscheinlich bestehen, aber kein 1er oder 2er Kandidat sein.

Ich bin übrigens auch eher ein Thomas. Als Katharina hab ich mich oft wirklich verloren in einem Wust von Büchern und hatte das Gefühl, niemals fertig zu werden.
Ich habe im Studium die Erfahrung gemacht: Ich liebe Tabellen. Tabellen und eigene Schemata, die ich dann auch wirklich verstehe.
Besonders vor dem Physikum war ich geneigt, zu sagen: "Kapier ich nicht. Egal. Ich merke es mir jetzt einfach so." Manchmal geht es auch wirklich nicht anders.
Aber ihr solltet euch bewusst machen: Dinge, die man versteht, nehmen keinen "Merkplatz" weg. Die stecken gut verankert im "Netz des Verstehens". Und der "Merkplatz" ist wirklich sehr begrenzt! Da sollte man nur das unterbringen, was sich auf Biegen und Brechen nicht in das "Netz des Verstehens" einbauen lässt.

Im Nachhinein geschrieben: Wer keine Nerven hat, sollte den folgenden Absatz nicht lesen.
Das sind nur meine philosophischen Ausbrüche!
(Kommen wir zurück zum Physikum und zu "Eurem Können".
Können ist kein Gefühl, sondern ein Zustand.
Euer Gefühl jammert euch vor: "Ich kann niiiichts!", aber das Gefühl ist nur die Angst vor der Prüfung, nicht mehr und nicht weniger, und korreliert nicht mit dem Grad des Könnens.
Ja, ihr habt recht: Je mehr ihr euch selbst beweist, dass ihr etwas "könnt", z.B. wenn ihr richtig gut kreuzt, desto besser wird das Gefühl. Die Angst wird kleiner, man ist etwas erleichtert, weiß, dass man gut gelernt hat.
Teilweise kann die Angst aber auch das Wissen überdecken.
Wer kennt nicht das Gefühl, alles wieder vergessen zu haben, was man am Anfang gelernt hat?!
Das ist ein schreckliches Gefühl! Als müsste man jetzt noch mal ganz von vorne anfangen.
Aber das Gehirn ist ein tolles Organ! Wir sind jung und gesund und haben keine Löcher im Gehirn.
Und wenn wir in der Situation stecken und das Wissen brauchen, sucht es uns das Gehirn manchmal wie von selber heraus. Ist euch das nicht auch schonmal aufgefallen?
Ihr kreuzt eine Frage nach "Bauchgefühl", weil ihr denkt: "Das muss es sein!" und es ist richtig?)

Lange Rede, kurzer Sinn:
Wenn ich mir ein Schema überlegt habe, nach dem ich lerne, und es auch durchgezogen habe, täuscht mir meine Angst vor der Prüfung immer vor, trotz monatelanger Arbeit nichts zu können.
Da hilft es nur, dem Gefühl ganz rational zu erwidern: "Kann ja gar nicht sein, ich habe ja gelernt, also kann ich auch etwas!"

Um wieder etwas praktischer zu werden:
Ihr sitzt in der schriftlichen Prüfung, ganz auf euch gestellt. Du, dein Stift, dein Radierer, deine Fragen, dein Lösungsbogen. (by the way: nicht vergessen, rechtzeitig zu übertragen. Kann übel ausgehen!)
Du musst nicht -wie im Abi- einen 20-seitigen Aufsatz produzieren. Praktisch gesehen musst du eigentlich nur Kreuze produzieren. Dafür werden die Klausuren in der Medizin auch oft belächelt, ganz zu Unrecht! Denn ein Kreuz an der falsche Stelle kann auch oft "das Verderben" bedeuten.
(Sorry, ich bin heute leicht dramatisch!)
Ihr wisst ja, wie es läuft, habt es tausend Mal gemacht und auch tausend Mal bestanden:
Entweder die richtige Antwort wissen, sonst ausschließen -so viel wie möglich- und am Ende die Antwort ankreuzen, die am wahrscheinlichsten ist.
Und die Antwort zu finden, die am wahrscheinlichsten ist, bedeutet, die Gedanken des IMPP zu lesen! Darin ist man nach dem Studium Meister! Wer es sich noch nicht bewusst gemacht hat:
- Antworten, in denen "immer" vorkommt, sind fast immer falsch
- Antworten, in denen "nie" vorkommt, sind auch fast nie richtig
(In der Medizin ist alles möglich, deshalb!)
- wenn in einer Aussage "kann" vorkommt, ist diese ziemlich nahe dran, die richtige Antwort zu sein.
(denn in der Medizin gibt es wenig, was NICHT sein kann)
Vielleicht fällt mir demnächst noch mehr ein... oder euch! Dann gerne posten! :)

Jedenfalls gibt es einen Regelkreis:
Bleibt dran, lernt gut - das beschert euch Erfolgserlebnisse beim Kreuzen und mindert die Angst vor der Prüfung - mit weniger Angst in der Prüfung kann das Hirn ungehemmter arbeiten und ihr kommt selbstsicherer rüber - das hilft euch, zu bestehen und sogar gut zu bestehen.
Der Schlüssel ist also meiner Meinung nach das Lernen, auch wenn man schrecklichste Prüfungangst hat! Das große böse P kann besiegt werden!! :)

Vor allem verliert bei allem nicht den Spaß an der Medizin, denn die Medizin ist toll, und das werdet ihr erkennen, wenn ihr im medizinischen Schlaraffenland (der Klinik) seid und wieder ein Leben habt, auch wenn es jetzt noch komplett unmöglich erscheint!


Liebe Leser, etwas Rückmeldung würde mir helfen:
ist euch der Artikel zu philosophisch/theoretisch gewesen? Hat euch irgendwas geholfen - wenn ja, was? Dann kann ich in den nächsten Artikeln auf Eure Wünsche eingehen.

Und was mich natürlich auch interessiert:
Was habt Ihr für Erfahrungen gemacht? Habe ich Eurer Meinung nach Quatsch erzählt?
Habt ihr noch Tipps fürs Physikum? Seid ihr eine Katharina oder ein Thomas? :D

3 Kommentare:

  1. Ich schaue sehr gerne bei Dir rein! :) Danke fürs feedback!

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  2. Super Blog! Habe ihn zufällig vorhin in KK entdeckt! Was ich aber nicht verstanden habe: Hat das "Physikum" nun was mit Physik zutun oder wie? :D Werde deinen Blog weiterhin lesen (gehe alle Einträge chronologisch durch)! Liebe Grüße :)

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  3. Hi Marie!

    Vielen Dank. Habe jetzt eine kleine Pause gemacht, aber werde mich ab sofort wieder an neue Posts setzen!

    Nein, das Wort "Physikum" kommt nicht von der Physik, obwohl unter anderem auch die Physik geprüft wird. (Auch Anatomie, Biochemie, Chemie, Biologie, Physiologie,...)
    Ich habe nichts Verbindliches zur Wortherkunft gefunden, denke aber, dass es sich von der "Physiologie" ableitet. Physiologie beschreibt "normale" Vorgänge und den "normalen" Aufbau des Körpers, im Gegensatz zur "Pathologie". Denn das ist es, was in den ersten 4 Semestern vermittelt werden soll, bevor die Klinik (also Krankheiten = Pathologie) beginnt.
    "Physikum" ist eigentlich ein umgangssprachliches Wort.
    Eigentlich heißt es: Erster Abschnitt der Ärztlichen Prüfung :)

    Vielen Dank für dein Interesse und noch viel Spaß beim Lesen.
    Deine Chrissy

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